Wussten Sie, dass jedem neugeborenen Kind direkt nach der Geburt und in den ersten Tagen Vitamin K verabreicht wird? Dies hat den schlichten Grund, dass SĂ€uglinge mit unzureichenden Vitamin-K-VorrĂ€ten geboren werden und daher stark gefĂ€hrdet sind, einen akuten Vitamin-K-Mangel zu entwickeln. Daraus kann im schlimmsten Fall eine lebensbedrohliche Blutungsneigung entstehen. Da Vitamin K entscheidend an der Blutgerinnung beteiligt ist, SĂ€uglinge diesen NĂ€hrstoff im Darm aber noch nicht bilden können und auch die Versorgung ĂŒber die Muttermilch noch nicht ausreichend ist, muss es den Neugeborenen zugefĂŒhrt werden. Nichtsdestotrotz ist eine ausreichende Versorgung mit Vitamin K auch fĂŒr Erwachsene essentiell. Denn Vitamin-K reguliert den Kalzium-Haushalt und senkt somit das Risiko, an Arteriosklerose oder Osteoporose zu erkranken.
Schon 1940 wusste man, dass sich die bei manchen Neugeborenen auftretende lebensbedrohliche Blutungsneigung durch die Gabe von Vitamin K behandeln lĂ€sst. Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die neuesten Erkenntnisse ĂŒber die Wirkungsweise von Vitamin K erst in den vergangenen Jahren bekannt wurden. Dabei wurde lange kein Unterschied zwischen Vitamin K1 und K2 gemacht (obwohl man schon 1939 beide Varianten kannte), und auch heute gibt es noch etliche AusfĂŒhrungen, die allgemein die Wirkungen von Vitamin K beschreiben.
Vitamin K1 (Phyllochinon) und Vitamin K2 (Menachinon)
Allgemein gehört Vitamin K neben Vitamin A, Vitamin D und Vitamin E zu den fettlöslichen Vitaminen. WĂ€hrend Vitamin K eine wahre GroĂfamilie bildet (bis zu 100 verschiedene Verbindungen zeigen Vitamin-K-AktivitĂ€t), gibt es von ihrer Bedeutung im Stoffwechsel des Menschen her betrachtet lediglich zwei Hauptvertreter, nĂ€mlich Vitamin K1 und K2. Beide Formen, Vitamin K1 und Vitamin K2, mĂŒssen wir mit der Nahrung aufnehmen, um ausreichend damit versorgt zu sein.
Vitamin K1 (Phyllochinon) kommt in Blattpflanzen und âgemĂŒsen vor (z.B. Spinat, Salat, Brokkoli, Avocados, Mangold, KreuzblĂŒtler wie Kohl, Rosenkohl etc.).
Vitamin K2 (Menachinon) bildet eine Familie aus eigenen Vertretern, die sich geringfĂŒgig unterscheiden (die Unterschiede betreffen â chemisch betrachtet â die LĂ€nge ihrer Seitenkette, daher werden die Menachinone je nach LĂ€nge dieser Kette durchnummeriert). Die fĂŒr uns interessantesten sind Menachinon-4 und Menachinon-7, da diese die beiden Hauptquellen von natĂŒrlichem Vitamin K2 in unserer Nahrung bilden.
Dank ihrer strukturellen und chemischen Verwandtschaft werden die beiden Vitamine K1 und K2 in die gleiche Familie eingeordnet. Ihre Aufgaben in unserem Körper sind jedoch vollkommen verschieden. Im Folgenden geht es um die herausragende Bedeutung von Vitamin K2.
NatĂŒrliche Quellen von Vitamin K2
Unser Bedarf an Vitamin K2 (Menachinon) wird teilweise in unserem Verdauungstrakt vor allem von anaeroben Bakterien (anaerob: ohne Sauerstoff arbeitend) wie Bacteroides fragilis, Eubacterium, Probionibakterium und Arachnia produziert. Phyllochinon, also Vitamin K1, findet man hingegen kaum im Verdauungstrakt. Abgesehen davon ist Vitamin K2 reichlich enthalten in Fisch, Fleisch und Tierprodukten wie Eier und Milch in Form von Menachinon-4.
Bakteriell weiter verarbeitete Milchprodukte wie KĂ€se oder Joghurt enthalten sogar noch höhere Konzentrationen an Vitamin K2 als das Ausgangsprodukt, weil durch die Fermentation zusĂ€tzlich Vitamin K1 in Vitamin K2 umgewandelt wird. In fermentierten Nahrungsmitteln liegt Vitamin K2 als Menachinon-7 vor, das von den MilchsĂ€urebakterien wĂ€hrend der Reifung hergestellt wird. Aber, und das ist möglicherweise ein kleiner Trost fĂŒr Veganer, es gibt auch eine pflanzliche Quelle, die Ă€uĂerst reich an Vitamin K2 ist, nĂ€mlich Natto, die fermentierten Sojabohnen.
Vitamin K2 reguliert die Verwertung bzw. Verteilung von Calcium
WĂ€hrend Vitamin K1 (und nur in geringem MaĂe auch Vitamin K2) die Blutgerinnung steuert, sorgt Vitamin K2 fĂŒr ein Gleichgewicht bei der elementaren Calciumverteilung im Körper. Hierbei reguliert das Vitamin K2 die Verteilung des verfĂŒgbaren Calciums in zwei Bereichen: Beim Knochen- und Zahnaufbau und beim Erhalt glatter BlutgefĂ€Ăe. Was dabei fĂŒr Prozesse im Körper ablaufen, sei hier kurz beschrieben.
FĂŒr die Calciumverwertung im menschlichen Körper sind hauptsĂ€chlich die beiden Proteine Osteocalcin und MGP (Matrix Gla Protein) verantwortlich. Diese beiden Proteine mĂŒssen allerdings zunĂ€chst einmal aktiviert â genauer: carboxyliert â werden, um ihre Aufgaben zu erfĂŒllen. Sind diese nĂ€mlich aktiviert, werden sie so verĂ€ndert, dass sie wie mit einem Greifarm Calcium-Ionen (Ionen = elektrisch geladene MolekĂŒle) binden und an den richtigen Stellen ablagern können.
Warum ist die Carboxylierung von Osteocalcin und MGP durch Vitamin K2 so wichtig?
Die Hauptaufgabe von Osteocalcin besteht darin, Calcium zu binden, um dieses in der Hartsubstanz von Knochen und ZĂ€hnen einzulagern.
Das MGP dagegen verhindert den Einbau von Calcium an den falschen Stellen und hemmt damit die Verkalkung von BlutgefĂ€Ăen und die Verkalkung von Knorpeln. Auch kann es aktiv Kalziumionen aus bestehenden Plaques wieder entfernen â doch dies eben auch nur, wenn es in einem aktivierten Zustand ist.
Und hier kommt das Vitamin K2 ins Spiel: Um nĂ€mlich diese beiden EiweiĂe in der oben beschriebenen Weise aktivieren zu können, braucht der Körper Vitamin K2; denn dieses Vitamin ist eben notwendig fĂŒr die Carboxylierung der Proteine Osteocalcin und MGP. Die damit verbundenen Prozesse in unserem Körper werden also entscheidend durch Vitamin K2 gesteuert, was uns seine ungeheure Wichtigkeit vor Augen fĂŒhrt!
Mit Vitamin K2 schĂŒtzen Sie sich doppelt: vor Osteoporose und Arteriosklerose
Einerseits stĂ€rkt Vitamin K2 die Grundsubstanz gesunder Knochen und ZĂ€hne …
Anders als gemeinhin angenommen, handelt es sich bei den Knochen nicht um ein âtotesâ, statisches Gebilde. Knochen sind lebende Organe, die sich stĂ€ndig auf- und ab- bzw. umbauen. Der Knochenstoffwechsel ist ein komplexer Vorgang und eine Vielzahl von Faktoren spielen dabei eine Rolle. Beim gesunden Knochen herrscht zwischen der AktivitĂ€t von Knochen aufbauenden Zellen (Osteoblasten) und Knochen abbauenden Zellen (Osteoklasten) ein Gleichgewicht. Innerhalb von 8 bis 10 Jahren wird so das gesamte Skelett einmal erneuert. Kalzium, Magnesium, Phosphat, Vitamin D, Vitamin K2, verschiedene Hormone, ausreichend Bewegung, genug Sonnenschein â all diese Faktoren tragen zu einem gesunden Knochenwachstum bei. Wie entscheidend Vitamin K2 dabei ist, hat sich erst in den vergangen Jahren herausgestellt.
Geraten Knochenaufbau und Knochenabbau aus dem Gleichgewicht, kommt es zu Knochenwucherungen, Knochenschwund und anderen Deformationen. Vor allem die berĂŒchtigte Osteoporose wird dadurch ausgelöst. Man kann heute davon ausgehen, dass jede dritte Frau nach der Menopause eine behandlungsbedĂŒrftige Osteoporose entwickelt hat und jeder dritte Mann im Alter von ĂŒber 70 Jahren ist ebenfalls betroffen.
Wie sich gezeigt hat, ist Vitamin K2 in Verbindung mit dem carboxylierten Protein Osteocalcin fĂŒr den Aufbau krĂ€ftiger Knochen genau so wichtig wie Kalzium und Vitamin D3. Denn erst durch das Vitamin K2-abhĂ€ngige Protein Osteocalcin kann Kalzium in die Knochenmatrix eingebaut werden, was die Knochendichte und KnochenqualitĂ€t erhöht.
Da vor allem alte Menschen hĂ€ufig chronisch mit Vitamin K2 unterversorgt sind, gefĂ€hrdet man durch die Einnahme von KalziumprĂ€paraten möglicherweise sogar die Gesundheit, statt sie zu fördern. Wer also Vitamin D und/oder KalziumprĂ€parate einnimmt, muss konsequenterweise unbedingt dafĂŒr sorgen, auch ausreichend mit Vitamin K2 versorgt zu sein.
Die Bedeutung von Vitamin K2 fĂŒr die Knochengesundheit wurde ĂŒbrigens schon 2009 von der EuropĂ€ischen Behörde fĂŒr Lebensmittelsicherheit (EFSA) anerkannt.
… und andererseits wirkt Vitamin K2 einer Verkalkung von BlutgefĂ€Ăen und Gelenken entgegen
In der Schulmedizin hĂ€lt man die Arteriosklerose fĂŒr chronisch fortschreitend und nicht heilbar. Diese Lehrmeinung sollte im Ansatz revidiert werden: Denn seit neuestem weiĂ man, dass Vitamin K2 nicht nur vor der gefĂŒrchteten Verkalkung der HerzgefĂ€Ăe schĂŒtzt, sondern Kalziumeinlagerungen sogar teilweise wieder rĂŒckgĂ€ngig machen kann! Bisher wurde Vitamin K2 bzw. die chronische Unterversorgung damit noch nicht als Risikofaktor fĂŒr Arteriosklerose gesehen, dafĂŒr aber die Rolle von Cholesterin allzu oft ĂŒberbewertet.
Arteriosklerose tritt auf, wenn das carboxylierte Protein MPG aus Mangel an Vitamin K2 nicht aktiviert wird. Dabei gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen einem niedrigen Spiegel an aktiviertem MPG, einem Mangel an Vitamin K2 und einen starkem Verkalkungsgrad der Herzarterien (Jono et al. 2004).
Der Kalziumeinbau in die atherosklerotischen Plaques der GefĂ€ĂwĂ€nde ist ein aktiver Prozess, Ă€hnlich der Knochenbildung. Deshalb ist die Arterienverkalkung auch unabhĂ€ngig von der Menge des eingenommenen Kalziums. Verhindert wird das durch das Vitamin-K2-abhĂ€ngige Protein MGP. MGP ist aber nicht nur in der Lage, GefĂ€Ăe vor der Einlagerung von Kalzium zu schĂŒtzen. Es kann auch aktiv Kalziumionen aus bestehenden Plaques wieder entfernen, wie eine Studie mit Ratten ergab. Durch Vitamin-K2-reiche Nahrung lieĂ sich der Kalziumgehalt in den Plaques innerhalb von 6 Wochen um 37% reduzieren.
Ein Zusammenhang zwischen Arterienverkalkung und mangelhafter Knochengesundheit ist ĂŒbrigens in der Medizin allgemein bekannt. Ebenso wie die Tatsache, dass die lĂ€ngerfristige Einnahme von Blutgerinnungshemmern zu erhöhter Arterienverkalkung, Knochenschwund und KnochenbrĂŒchigkeit fĂŒhren kann.
Als Ergebnis kann zusammengefasst werden, dass mit der Nahrung aufgenommenes Vitamin K2 bei Frauen und MĂ€nnern im fortgeschrittenen Alter vor starker Arterienverkalkung schĂŒtzt und sich das Risiko, an einer Arteriosklerose zu sterben, stark reduziert.
Man kann den Grad der Einlagerung von Kalzium in die HerzkranzgefĂ€Ăe ĂŒbrigens recht einfach mittels CT (Computertompgraphie) bestimmen lassen. Der Verkalkungsgrad der Koronararterien sagt sehr gut das Herzinfarktrisiko vorher. Aber natĂŒrlich sind auch andere Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, Ăbergewicht, mĂ€nnliches Geschlecht, Diabetes, Herzerkrankungen in der Familie, Alter, hoher Cholesterinspiegel usw. wichtige Vorhersagekriterien fĂŒr die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt zu erleiden. Die Einnahme von Vitamin K2 kann zumindest den Verkalkungsgrad verringern und damit das Risiko fĂŒr einen Herzinfarkt.
Zusammenfassung und Fazit
Mit unserem Wissen ĂŒber das Zusammenspiel der beiden Vitamin-K2-abhĂ€ngigen Proteine Osteocalcin und MGP liegt die ErklĂ€rung fĂŒr einen paradoxen Effekt auf der Hand: Es nĂŒtzt nĂ€mlich gar nichts, dem Körper Kalzium zuzufĂŒhren, ohne gleichzeitig diese beiden Proteine zu aktivieren, die darĂŒber wachen, dass der Kalziumeinbau an der richtige Stelle erfolgt. Im Gegenteil, mangelt es an Vitamin K2, bleiben Osteocalcin und MGP weit gehend inaktiv und Kalzium âirrtâ gewissermaĂen unbeaufsichtigt im Körper umher und wird ungesteuert an falschen Orten eingelagert. Da nĂŒtzt es auch nichts, wenn man zusĂ€tzlich Vitamin D einnimmt, um die Aufnahme von Kalzium in den Körper zu sichern. Denn es ist offensichtlich, dass der Kalziumstoffwechsel ohne ausreichend Vitamin K2 nicht funktioniert!