12 Wochen Spirulina-Supplementierung reduziert Entzündungsmarker und verbessert die körperliche Funktion bei MS-Patienten
Warum Spirulina für Menschen mit MS interessant ist
Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die weltweit Millionen von Menschen betrifft. Insbesondere die schubförmig-remittierende Form (RRMS) ist mit wiederkehrenden Entzündungsschüben und einer schleichenden Verschlechterung der Lebensqualität verbunden. Symptome wie chronische Müdigkeit (Fatigue), Muskelschwäche, Koordinationsprobleme, kognitive Beeinträchtigungen und depressive Verstimmungen belasten die Betroffenen enorm.
Obwohl moderne krankheitsmodifizierende Therapien (DMTs) dabei helfen, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen, können sie nicht alle Aspekte der Krankheit abdecken. Viele Patienten sprechen nur eingeschränkt auf die medikamentöse Behandlung an oder leiden trotz Therapie unter hoher Entzündungslast und ausgeprägter Fatigue. Die Suche nach ergänzenden, natürlichen und nebenwirkungsarmen Therapieoptionen ist daher von großer Bedeutung.
Eine neue randomisierte, placebo-kontrollierte Studie hat jetzt untersucht, welchen Einfluss die Mikroalge Spirulina (Arthrospira platensis) auf Entzündungsprozesse und Lebensqualität bei MS-Patienten haben kann. Die Ergebnisse sind vielversprechend.
Was macht Spirulina so besonders?
Spirulina ist eine blaugrüne Mikroalge, die bereits seit Jahrzehnten als Nahrungsergänzungsmittel verwendet wird. Sie enthält eine einzigartige Kombination bioaktiver Inhaltsstoffe, darunter:
- Phycocyanin: ein starkes Antioxidans mit entzündungshemmender Wirkung
- Polyphenole: sekundäre Pflanzenstoffe mit zellschützender Funktion
- Omega-3-Fettsäuren: wichtig für das Nervensystem und entzündungsmodulierend
- Vitamin B12, Eisen und Magnesium: essenziell für Energie, Nerven und Blutbildung
Vor allem das Phycocyanin hemmt nachweislich den NF-κB-Signalweg, einen zentralen Regulator entzündlicher Prozesse. Dadurch könnte Spirulina helfen, entzündliche Zytokine wie Interleukin-1β (IL-1β) und Interleukin-6 (IL-6)zu reduzieren – beide spielen eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie der Multiplen Sklerose.
Anders als viele klassische Nahrungsergänzungsmittel vereint Spirulina antioxidative, immunmodulierende und metabolisch aktive Eigenschaften. In Tiermodellen konnte die Alge bereits neuroprotektive Effekte zeigen.
Die Lücke in der Therapie von MS
Trotz guter Fortschritte in der medikamentösen Behandlung von MS besteht weiterhin eine therapeutische Lücke. Medikamente wie Interferon-beta oder Natalizumab reduzieren zwar die Schubrate, greifen jedoch kaum in oxidative Stressprozesse oder chronische systemische Entzündung ein. Viele Betroffene klagen weiterhin über:
- chronische Müdigkeit (Fatigue)
- eingeschränkte körperliche Funktion
- reduzierte Lebensqualität
- Gewichtszunahme durch Bewegungsmangel
Hier könnte ein natürlicher Wirkstoff wie Spirulina einen wertvollen Beitrag leisten. Dennoch mangelte es bislang an hochwertigen klinischen Studien, die die Wirkung wissenschaftlich belegen. Genau das hat die vorliegende Untersuchung nun adressiert.
Studienüberblick: Design und Methodik
Die Studie wurde an der Isfahan University of Medical Sciences (Iran) durchgeführt und erfüllt höchste wissenschaftliche Standards:
- Design: Triple-blind, randomisiert, placebo-kontrolliert
- Teilnehmer: 80 Patienten mit RRMS (Expanded Disability Status Scale 0–6)
- Intervention: 1 g Spirulina pro Tag (zwei Kapseln à 500 mg) über 12 Wochen
- Kontrollgruppe: Placebo mit Maltodextrin
- Primäre Zielkriterien: IL-1β und IL-6 im Serum (Entzündungsmarker)
- Sekundäre Zielkriterien: Lebensqualität (MSQoL-54), körperliche Funktionen, Anthropometrie (Gewicht, BMI)
Besonders hervorzuheben: Die Teilnehmer setzten ihre übliche medikamentöse MS-Therapie fort, was die Ergebnisse besonders praxisnah macht.
Ergebnisse: Deutliche Verbesserungen unter Spirulina
Die Spirulina-Gruppe zeigte im Vergleich zur Placebo-Gruppe folgende signifikante Verbesserungen:
✔ Entzündungshemmung
- IL-1β: –1,07 pg/mL (p < 0.001)
- IL-6: –2,66 pg/mL (p < 0.001)
Diese Ergebnisse zeigen eine ausgeprägte systemische Entzündungsreduktion, die auf die Hemmung proinflammatorischer Signalwege zurückzuführen ist.
✔ Lebensqualität & körperliche Funktion
- Gesundheitswahrnehmung: signifikant verbessert
- Körperliche Funktion: deutlich gesteigert
- Fatigue / Energielevel: verbessert
- Sexualfunktion: verbessert
- Gesamtwert für körperliche Gesundheit: starker Effekt (Cohen’s d = 1.17)
✔ Metabolische Effekte
- Gewichtsreduktion: –2,85 kg im Durchschnitt (p = 0.015)
- BMI: tendenziell reduziert (p = 0.060)
Andere Parameter wie kognitive Funktion, emotionale Gesundheit oder soziale Teilhabe blieben unverändert. Das zeigt: Die hauptsächliche Wirkung betrifft den körperlich-funktionalen Bereich, was für viele MS-Patienten im Alltag besonders relevant ist.
Lokaler und gesellschaftlicher Kontext
Die Studie wurde im Iran durchgeführt, wo die MS-Prävalenz in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen ist. Vor allem jüngere Frauen in urbanen Regionen sind betroffen. Die häufige Vitamin-D-Unterversorgung, Umweltfaktoren und veränderte Lebensgewohnheiten tragen zur Zunahme bei.
Gerade in Gesundheitssystemen mit begrenztem Zugang zu hochpreisigen Immuntherapeutika könnte Spirulina eine kostengünstige und sichere Ergänzung darstellen. Aber auch in westlichen Ländern wächst das Interesse an ganzheitlichen Therapieansätzen.
Studienziele: Was wurde konkret untersucht?
Die Fragestellung lautete:
- Kann die Einnahme von Spirulina über 12 Wochen systemische Entzündung reduzieren (IL-1β, IL-6)?
- Führt Spirulina zur Verbesserung körperlicher Funktionen und der Lebensqualität bei RRMS?
- Gibt es metabolische Vorteile wie Gewichtsreduktion oder bessere Energiewerte?
Antwort: Ja, für alle drei Fragen konnten signifikante positive Effekte nachgewiesen werden.
Fazit: Was bedeutet das für Betroffene?
Diese Studie zeigt, dass Spirulina bei schubförmiger MS eine sinnvolle, ergänzende Therapieoption darstellen kann. Die Vorteile auf einen Blick:
- Reduktion entzündlicher Marker (IL-1β, IL-6)
- Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit
- Erhöhung von Energie und Vitalität
- Positiver Einfluss auf das Gewicht
- Gute Verträglichkeit und hohe Sicherheit
Da viele MS-Patienten unter chronischer Müdigkeit, eingeschränkter Mobilität und unkontrollierter Entzündung leiden, bietet Spirulina eine vielversprechende natürliche Unterstützung – insbesondere für diejenigen, die eine ergänzende Strategie zur Standardtherapie suchen.
Anwendung in der Praxis: Was sollten Betroffene beachten?
- Dosierung: 1 g Spirulina pro Tag (entspricht 2 Kapseln à 500 mg)
- Einnahmedauer: mindestens 12 Wochen empfohlen
- Begleitend zur MS-Standardtherapie (nicht als Ersatz!)
- Kombinierbar mit Vitamin D, Omega-3, Magnesium
- Bei Unsicherheit ärztlich beraten lassen, vor allem bei Vorerkrankungen
Ausblick: Was braucht es für die Zukunft?
Die Ergebnisse sind ermutigend, aber weitere Forschung ist notwendig. Wichtig wären:
- Längerfristige Studien (>6 Monate)
- Größere Teilnehmerzahlen
- Kombinationen mit DMTs
- Untersuchung auf kognitive Effekte, Stimmung, Mikrobiom
- Neuroimaging zur Objektivierung neuroprotektiver Wirkungen
Schlusswort
Spirulina bietet bei Multipler Sklerose eine sinnvolle, wissenschaftlich fundierte Ergänzung zur schulmedizinischen Behandlung. Ihre antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften machen sie zu einem vielseitigen Naturstoff mit hoher Relevanz für die klinische Praxis.
Wer als MS-Betroffener aktiv etwas für seine Gesundheit tun möchte, findet in Spirulina eine natürliche, sichere und wirksame Unterstützung mit Potenzial, die Lebensqualität spürbar zu verbessern.
Quelle: