Wissenschaftliche Übersicht zeigt vielversprechende Effekte von Propolis bei Infektionen der Atemwege
Relevanz / Bedeutung
Atemwegserkrankungen zählen weltweit zu den häufigsten Gründen für Arztbesuche – insbesondere in der kalten Jahreszeit. Während virale Infektionen wie Influenza oder das Coronavirus (SARS-CoV-2) keine spezifische Heilung erlauben, rücken natürliche Immunmodulatoren zunehmend in den Fokus. Ein besonderer Kandidat: Propolis, ein harzartiges Naturprodukt aus dem Bienenstock, das seit Jahrhunderten in der Volksmedizin verwendet wird. Die moderne Forschung beginnt nun, seine antiviralen und entzündungsregulierenden Eigenschaften systematisch zu untersuchen – mit überraschend positiven Ergebnissen.
Hintergrund
Propolis ist ein komplexes Gemisch aus über 300 bioaktiven Substanzen – darunter Flavonoide, phenolische Säuren, Terpene und aromatische Ester. Bienen gewinnen diese Stoffe aus Pflanzenharzen und modifizieren sie mit körpereigenen Enzymen. In der Natur dient Propolis zur Abdichtung und Sterilisation des Bienenstocks – ein hochwirksames Schutzsystem gegen Mikroorganismen. Diese antimikrobielle Wirkung macht Propolis auch für den Menschen interessant.
Zahlreiche Studien belegen inzwischen entzündungshemmende, antioxidative, antibakterielle, antimykotische und vor allem antivirale Wirkmechanismen. Besonders spannend: die Fähigkeit von Propolis, das Immunsystem nicht einfach zu „stimulieren“, sondern differenziert zu modulieren – also Überreaktionen (z. B. Zytokinstürme) zu dämpfen und gleichzeitig eine effektive Abwehr gegen Viren zu fördern.
Problemstellung
Trotz der jahrhundertelangen Anwendung von Propolis fehlte es bislang an einer umfassenden wissenschaftlichen Bewertung seiner Wirksamkeit und Sicherheit bei Atemwegsinfektionen. Die Studie mit der PMCID: PMC9298305, veröffentlicht in Medical Research Reviews, will genau diese Lücke schließen. Ziel war eine systematische Auswertung der antiviralen und immunmodulierenden Eigenschaften von Propolis – sowohl in vitro (Labor), in vivo (Tiermodelle) als auch in klinischen Kontexten.
Der Forschungsbedarf ist groß: Es existieren viele Einzelstudien, aber kaum strukturierte Übersichtsarbeiten, die eine Brücke zwischen Präklinik und klinischer Praxis schlagen. Zudem ist die Standardisierung von Propolis – als Naturprodukt mit stark variierender Zusammensetzung – eine Herausforderung für Forschung und Anwendung.
Vorhandene Evidenz
Die Autoren analysierten zahlreiche Studien zu folgenden Aspekten:
1. Antivirale Wirkmechanismen
- Propolis kann die Bindung und das Eindringen von Viren in Wirtszellen hemmen, unter anderem bei Influenza, HSV, Rhinovirus, Adenovirus und SARS-CoV-2.
- Einzelne Inhaltsstoffe wie Caffeinsäure-Phenethylester (CAPE), Chrysin, Galangin und Artepillin C zeigten in Zellkulturen eine direkte Hemmung der Virusvermehrung.
- Propolis beeinflusst zudem virale Enzyme (z. B. RNA-Polymerasen) und unterbricht den Replikationszyklus von Viren.
2. Immunmodulation
- Propolis kann entzündliche Zytokine wie IL-6, TNF-α und IL-1β dämpfen – ein wichtiger Schutzmechanismus bei überaktiver Immunantwort (z. B. bei schweren Virusinfektionen).
- Gleichzeitig fördert es die Aktivität von Makrophagen, dendritischen Zellen und natürlichen Killerzellen.
- Besonders interessant: Eine balancierte Immunantwort – weder über- noch unterreguliert – wird begünstigt.
3. Klinische Studien
- Erste Humanstudien zeigen, dass Propolis Symptome von Atemwegserkrankungen lindern und die Dauer von Infekten verkürzen kann.
- In einer randomisierten Studie mit COVID-19-Patienten verringerte Propolis die Krankenhausverweildauer und die Entzündungsmarker signifikant.
- Auch bei Kindern mit wiederkehrenden Infektionen zeigte sich eine verbesserte Immunabwehr und weniger Krankheitstage.
Dennoch: Die Autoren betonen, dass viele dieser Studien methodisch limitiert sind (kleine Stichproben, fehlende Placebo-Kontrolle, nicht standardisierte Propolispräparate). Es besteht erheblicher Bedarf an größeren, randomisierten, placebokontrollierten Studien.
Lokaler Kontext: Wer profitiert besonders?
Besondere Bedeutung hat Propolis für folgende Zielgruppen:
- Ältere Menschen mit schwächerem Immunsystem
- Menschen mit chronisch entzündlichen Erkrankungen oder autoimmunen Komponenten
- Kinder mit häufigen Infekten (z. B. Kita- und Schulalter)
- Personen in Risikoberufen (Lehrer, Pflegekräfte, medizinisches Personal)
- Sportler, die unter hoher körperlicher Belastung stehen und infektanfällig sind
Studienziele
Die Übersichtsarbeit verfolgte das Ziel, auf Basis der bestehenden Literatur:
- die antiviralen Wirkungen von Propolis systematisch zu erfassen
- immunologische Mechanismen zu analysieren
- den therapeutischen Wert bei Atemwegserkrankungen (v. a. viraler Genese) kritisch zu bewerten
- Forschungslücken zu identifizieren und Empfehlungen für künftige Studien abzuleiten
Die Autoren plädieren für die Entwicklung standardisierter, analytisch definierter Propolispräparate, die klinisch validiert werden können – vergleichbar mit pflanzlichen Arzneimitteln nach europäischem HMPC-Standard.
Fazit / Implikation für die Praxis
Propolis ist ein hochinteressanter Naturstoff mit nachgewiesenen antiviralen und immunmodulierenden Effekten. Die Datenlage ist insbesondere im präklinischen Bereich überzeugend. Klinisch zeigen sich vielversprechende Ergebnisse, die jedoch durch methodisch hochwertige Studien bestätigt werden müssen.
Für gesundheitsbewusste Menschen, die ihr Immunsystem auf natürliche Weise unterstützen möchten – etwa in der Erkältungssaison oder in Zeiten erhöhter Belastung – kann Propolis eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Entscheidend ist dabei die Auswahl eines hochwertigen, standardisierten Produkts mit garantierter Wirkstoffzusammensetzung.
Wichtig: Propolis ersetzt keine medizinische Behandlung, kann jedoch zur unterstützenden Immunbalance beitragen – insbesondere bei viralen Atemwegserkrankungen. Für Personen mit bekannten Allergien gegenüber Bienenprodukten ist Vorsicht geboten.
Originalstudie: